Gott ist ein Freund des gesunden Menschenverstands

Vortrag mit Dr. Heinzpeter Hempelmann im Rahmen der Reihe „Evangelisch imTäle“

 

Eine rege Aussprache mit den Besuchern löste Dr. Heinzpeter Hempelmann aus, als er in der Tischardter Kirche am Freitag, 15. Oktober 2010 zum Thema „Auf Gott hören – Menschen wahrnehmen“ einen Abend gestaltete. Dieses Thema ist auch das Motto beim Programm des Gemeindeentwicklungsprozesses in den sechs evangelischen Kirchengemeinden im Neuffener Tal.

Wer auf Gott hören will, stellt Fragen, sagte Hempelmann, Fragen wie zum Beispiel: Wie kann ich Gottes Willen erkennen? Wie kann Gott mein Leben führen? Dass „Gott“ (Allah) ihr Leben führt, gab Hempelmann zu bedenken, sagen auch die afghanischen Taliban oder irakischen Schiiten, die durch ihre Selbstmordattentate gezielt morden. Fanatische Gläubige in allen Religionen behaupteten von sich, den Willen Gottes zu tun. Deshalb müssten sich Christen kritische Fragen gefallen lassen und sich selbstkritischen Fragen aussetzen. Mit Recht vermutet man, meinte Hempelmann, hinter Leuten, die sich felsenfest auf den Willen Gottes berufen, dass sie keinen rationalen Argumenten mehr zugänglich sind. Die Menschheit habe durch religiöse (wie auch andere) Fanatiker viel Leid erfahren. Wenn Menschen sich auf Gott berufen, könnte das auch Einbildung sein. Wer sich auf die Bibel berufe, müsse sich mit der Frage auseinandersetzen, ob er nicht zu falschen Deutungen und Schlüssen gekommen sei. Wenn jemand für seine Entscheidungen einen Gott in Anspruch nimmt, könnte das auch aus Ich-Schwäche geschehen.
Die kritische Frage nach dem Sinn dieser Welt und einem Sinn in der Geschichte hält Hempelmann, der sowohl ein Theologie-  als auch ein Philosophiestudium absolviert hat, für berechtigt. Wie Friedrich Nietzsche stellten heute viele Zeitgenossen religiöse Gewissheiten in Frage: als ob alles eine Fügung Gottes sei, alles dem Heil der Seele zuliebe ausgedacht und geschickt sei. Auch Christen müssten ehrlicherweise sagen: Unsere Welt sieht nicht so aus, als wenn sie von einem göttlichen Walten durchwirkt wäre. „Ist es nicht eine Frage intellektueller Redlichkeit, auf solche Schönfärberei und Sinn-Stifterei zu verzichten?“ fragte Hempelmann.
Auf  viele Zuhörer des Vortrags mag die nun folgende Wendung, die der Referent seinem Gedankengang gab, überraschend gewirkt haben. „Was scheinbar gott-los, nihilistisch und anti-christlich klingt, wird ausgerechnet vom Neuen Testament bestätigt“, sagte er. Dort wisse man, dass die Strukturen dieser Welt nicht gut sind, dass sie vergänglich sind, „brüchig bis ins Mark“. Zugespitzt ist das für Hempelmann in Jesus Christus zu erkennen: „Wenn die Menschen den Sohn Gottes ans Kreuz schlagen, dann kann diese Welt nicht in Ordnung sein“. Deshalb sind Christen nicht verpflichtet, ihr Leben schön zu reden, sie müssen nicht einen Sinn finden, wo keiner ist. Doch im gekreuzigten Jesus sehen Christen den Gott der Liebe am Werk, der mit seinen Menschen Not, Verzweiflung  und sogar den Tod teilt, sagte Hempelmann. Weil Christus sich an Ostern gegen den Tod und die Sinnlosigkeit durchgesetzt habe, könnten Christen davon ausgehen, dass er in allen Legen bei ihnen ist und dass das Leben einen Sinn hat. Deshalb könnten sich Christen als Geführte verstehen, weil sie sich Christus anvertrauen.
Was das im Einzelnen bedeuten kann, führte Hempelmann in einigen Thesen näher aus: Gott sei ein Freund des gesunden Menschenverstands. Gott sei ein redender Gott, Jesus werde in der Bibel oft als „das Wort“ bezeichnet, das griechische Wort dafür habe etwas mit Logik, Vernunft und Sinn zu tun. Bibelleser lernten diesen Gott immer besser kennen und bekämen ein Gespür dafür, wer er ist und was er will. Spätestens seit Jesus sei bekannt, wohin Gott führen wolle: Die Weisungen des Dekalogs (der Zehn Gebote) und die Bergpredigt, das Gebot der  Nächstenliebe sind für Christen der Ausgangspunkt dafür, wenn sie nach dem Willen Gottes für ihr Leben und nach seiner Führung fragen.
Nach einer lebhaften Aussprache erinnerte Kirchengemeinderat Manfred Forschner daran, dass auf dem Platz, wo heute die neue Tischardter Kirche steht, einst die Kelter gestanden habe, dass also Wein um den Ort herum gewachsen sei; heute gebe es zwar keinen Wein mehr in Tischardt, dafür aber guten Honig. So bekam Dr. Hempelmann, der im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland das Projekt „Evangelisch im Täle“ begleitet, zwei Pfund Honig überreicht. Pfarrer z.A. Kaiser, der den Abend moderierte, dankte dem Referenten sehr herzlich.

Traugott Kögler